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Orchideen – Theorie und Praxis (letzter Teil)

 

In den vorherigen Artikeln habe ich über die Ernährung von Orchideen geschrieben. Dabei habe ich versucht, den aktuellen Sachstand von der Theorie her zu beleuchten und anschließend Erfahrungen der Orchideenkultur in meinem Gewächshaus möglichst über einen längeren Zeitraum zu sammeln und darzustellen.

Meine Idee dabei war, die Orchideen möglichst naturgemäß zu kultivieren. Aus diesem Grund habe ich wässrige Auszüge von verschiedenen Komposten hergestellt und damit meine Orchideen gegossen. Wie die Artikel in den letzten Ausgaben unserer Zeitschrift zeigen, hat diese Art der Düngung in der Saison 2019/2020 bei allen „Bulbenorchideen“ zu guten Ergebnissen geführt. Mit den Wachstumsergebnissen von Paphios und Phalaenopsen war ich hingegen nicht ganz zufrieden. Das kann damit zusammenhängen, dass diese Arten im bisherigen Substrat kaum noch Wurzeln hatten. Daher habe ich zusätzlich eine Blattdüngung ausgebracht.

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass auch Orchideen von einer Blattdüngung profitieren können. Hierzu hat man Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor radioaktiv markiert und damit die Orchideen über das Blatt gedüngt. Im Pflanzensaft konnte kurzfristig ein erhöhter Anteil der markierten Nährstoffe nachgewiesen werden.

Mit neueren Forschungen aus dunklen Regen- und Nebelwäldern konnte zudem gezeigt werden, dass für die am Boden oder die bodennah wachsenden Epiphyten aufgrund des Lichtmangels eine reduzierte Photosynthese stattfindet. Dadurch steht den Pflanzen weniger Zucker für das Wachstum zur Verfügung und entsprechend wenig Zuckerabgabe erfolgt an die Wurzeln, die damit auch das Bodenleben ernähren. Unter diesen Umständen würden die Pflanzen nicht lange leben. Dies gelingt ihnen jedoch, indem sie Aminosäuren, Mineralien und sogar Humusbestandteile aktiv über ihre Blätter aufnehmen. Diese natürliche Blattdüngung stammt aus der obersten Schicht des Waldes, wo sich feine (organische) Staubpartikel, tote Insekten, Vogelkot, Algen und Moose ansammeln. Bei Regen fallen diese freigesetzten Nährstoffe als Blattdünger auf die darunter liegenden Pflanzen. Insoweit sind die von mir gemachten Beobachtungen über positive Reaktionen der Orchideen auf von mir verwendeten organischen Dünger zu erklären.

Eine Blattdüngung sollte aber immer nur eine ergänzende Maßnahme zur Ernährung der Orchideen sein.

Es ist interessant festzustellen, dass zwar viele Orchideenleute den Leitwert ihres Gießwassers gelegentlich messen, den Salzgehalt des Pflanzstoffes aber eigentlich nie. Dem pH-Wert des Gießwassers wird ebenfalls kaum Beachtung geschenkt.

Damit sich im Pflanzstoff keine Düngesalze anreichern, wird in den Lehrbüchern ein regelmäßiges Spülen des Pflanzstoffes mit Regenwasser empfohlen. Allerdings ist die Wirksamkeit dieses Verfahrens von den Autoren wohl niemals ausprobiert bzw. gemessen worden. Nach meinen Untersuchungen bzw. Messungen des Substrates reduziert selbst eine regelmäßige Spülung des Pflanzstoffes den Leitwert kaum.

Um eine übermäßigen Anreicherung von Nährsalzen im Pflanzstoff zu verhindern, sollten die Orchideen je nach Gattung jährlich, spätestens aber nach zwei Jahren umgetopft werden. In den Lehrbüchern wird als Anlass dazu überwiegend der Zerfall (Umsetzung) des Substrates angegeben. Wahrscheinlicher ist hingegen die Anreicherung mit Salzen, die zu teilweise toxischen Reaktionen bei den Orchideenwurzeln führt. Auf die Nutzung von FloraClean (heute: FlashClean) hatte ich bereits in einem vorhergehenden Artikel hingewiesen .

Als Alternative zu Nährsalzen hatte ich mit organischen Komponenten als Dünger für meine Orchideen experimentiert. Diese Dünger müssen aber vor der Nutzung schon biologisch durch Mikroorganismen umgesetzt werden. Dadurch entstehen letztlich auch wieder „Nährsalze“ wie N, P oder K.

Viel interessanter fand ich aber, dass bestimmte Orchideen wie Coelogynen und Lycasten bei der Düngung mit organischen Düngern feine Wurzelhärchen ausbildeten, sofern die Wurzeln Kontakt mit dem Substrat hatten. Von diesen Beobachtungen hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Sind diese feinen Wurzelhaare vielleicht der Grund dafür, dass viele Orchideen am Naturstandort wesentlich größer werden als bei uns in Kultur? Sobald ein Salzdünger verwendet wird, verschwinden diese feinen Wurzelhaare.

Einen interessanten Artikel zum Thema „Substrat“ hat Herr Reiterer in Heft 3 / 2018 im Orchideenjournal veröffentlicht. Er kultiviert seine Orchideen seit mehreren Jahren ausschließlich in „Styrowol“.

Weil sich diese Styroporstreifen u. a. nicht mit überschüssigen Nährsalzen anreichern, habe ich nach mehreren Rücksprachen mit Herrn Reiterer Anfang 2018 meinen gesamten Orchideenbestand in selbst hergestelltes Styrowol umgetopft. Dafür habe ich mit einem Aktenvernichter 2 mm starke Styroportapete zu 4 mm breiten Styroporstreifen verarbeitet. Ein weiterer Vorteil dieser Styroporstreifen besteht darin, dass Orchideen fast nicht mehr „vergossen“ werden können. Bisher hatte ich in meinem Gewächshaus, insbesondere im Winter, mit nassen Pflanzstoffen jeglicher Art zu kämpfen, die immer wieder zu Fäulnis geführt haben.

Im Folgenden möchte ich einige Beobachtungen darstellen, wie sich meine Kultur durch das neue Substrat verändert hat. Dafür sollen zunächst aber noch ein paar Rahmenbedingungen meiner Kultur aufgezeigt werden: Mein Orchideengewächshaus ist an die Hausheizung angeschlossen, die mit einer Wärmepumpe mit niedriger Vorlauftemperatur von max. 38°C betrieben wird. Diese geringe Wärmeabgabe reichte bei den verwendeten Heizkonvektoren im Gewächshaus nicht aus, um für eine angemessene Temperatur zu sorgen und den Pflanzstoff in kurzer Zeit abtrocknen zu lassen, obwohl die Orchideen über die Wintermonate kaum gegossen worden sind. Mit dem Styroporpflanzstoff konnten diese Probleme minimiert, aber nicht gänzlich beseitigt werden. Es traten immer noch Probleme mit Fäulnis auf. Auch der Einsatz von verschiedenen Fungiziden brachte kaum eine Veränderung.

Eine Verbesserung dieses Problems brachte ein Zufall mit sich. Die Bewässerungspumpe im Gewächshaus ging nach fast 30 Jahren kaputt. Außer der Pumpe wurden auch alle Schlauchleitungen ersetzt. Mit Schrecken stellte ich fest, dass sich in den Schläuchen ein 2-3 mm Belag abgelagert hatte, der wohl insbesondere von den Versuchen mit organischen Düngern herrührten,. Wenn die Pumpe angestellt wurde, hatte sich in den letzten Monaten ein fauliger Geruch bemerkbar gemacht. Aus diesem Grund hatte ich immer 10 Liter weglaufen lassen und erst danach die Orchideen gegossen. Der Geruch war zwar verflogen, die Sporen der Fäulnispilze etc. sind dann aber beim Gießen der Orchideen vermutlich verteilt worden. Darüber hatte ich mir – wahrscheinlich durch die Gießroutine – zunächst keine Gedanken gemacht. Mittlerweile desinfiziere ich die Pumpe nebst Schläuchen vor dem Gießen mit Wasserstoffperoxid und Peressigsäure. Und siehe da: Es treten kaum noch Fäulnisprobleme bei den Orchideen auf. Ob auch das neue Substrat dazu einen Beitrag geleistet hat, ist jedoch unklar.

Zusätzlich wurden die Heizungskonvektoren, die ursprünglich für eine Vorlauftemperatur von 60°C angeschafft worden sind, nachträglich mit Heizkörperverstärkern ausgestattet. Das sind in Reihe geschaltete PC-Lüfter, die mit Magneten unter die Konvektoren geklickt werden. Die Temperatur im Gewächshaus konnte mit dieser einfachen, aber effektiven Maßnahme um 3-4°C angehoben werden.

Weiterhin habe ich nach einem Mittel gesucht, dass die Abwehrkräfte der Orchideen stärken kann. Der Extrakt von Yucca schidigera oder Aloe vera soll diese Voraussetzungen angeblich erfüllen. Beide Pflanzen werden fast nie von Schadpilzen oder Schädlingen befallen. Die Extrakte stellen zudem ein natürliches Netzmittel dar, welches die Oberflächenspannung des Wassers auf den Blättern oder im Boden herabsetzt und das Wasser mit den Nährstoffen besser in die Blätter transportieren kann. Wer nähere Informationen zu diesem interessanten Thema sucht, wird fündig bei www.aloeverafertilizer.com

Auf eine andere mögliche positive Wirkung auf das Pflanzenwachstum und die Gesundheit unserer Orchideen durch die Zugabe von Fulvin- oder Huminsäure hatte ich ebenfalls schon in einem früheren Artikel (Heft 4 / 2010 Orchideenjournal)) hingewiesen.

Mit all diesen dargestellten Maßnahmen konnte bislang ein zufriedenstellendes Wachstum bei den Orchideen bis zum Frühjahr 2020 festgestellt werden. Das Fäulnisproblem ist auch geringer geworden. Trotzdem hatten einige Orchideen keinen Blütentreib angesetzt. Das hat mir wieder einmal keine Ruhe gelassen, wollte ich doch ein schönes Blütenmeer in meinem Gewächshaus haben!

Für die weiteren Veränderungen an meiner Kultur muss ich zunächst ein bisschen ausholen. Neben den Orchideen interessieren mich auch Kannenpflanzen (Nepenthes). Eine kleine Ansammlung von fünfzehn Hybriden und Naturformen wuchs im Kaltbereich meines Gewächshauses zwar ganz ordentlich, die Pflanzen bildeten aber kaum Kannen an den neuen Blättern.

Der Hinweis eines Nepenthes-Enthusiasten brachte mich auf die richtige Spur. Er kultiviert seine Nepenthes ohne jegliche Schattierung in einem Gewächshaus!

Also habe ich kürzlich einen kleinen Teil meiner Dauerschattierung des Gewächshauses extra für die Nepenthes abgebaut. Nach kurzer Zeit wuchsen auch wieder Kannen an einigen neuen Blättern – offenbar war Lichtmangel das Problem gewesen! Könnte das auch der Grund dafür sein, dass einige Orchideen in meinem Gewächshaus unter der Dauerschattierung vom 15.2. bis 15.10. eines jeden Jahres nicht genug Licht für eine Blüteninduktion bekommen haben? Das wollte ich unbedingt testen. Gesagt - getan.

Das Gewächshaus hat jetzt bewegliche Schattiermatten, die je nach Sonneneinstrahlung einzelne Teile des Gewächshauses schattieren können. Das Ergebnis ist verblüffend. Bereits nach wenigen Wochen haben Orchideen geblüht, die vorher einige Jahre nicht geblüht haben. Kann das Zufall sein?

 

Abschließend möchte ich noch einmal in Schlagworten die Maßnahmen ausführen, die wesentliche Verbesserungen in meiner Orchideenkultur gebracht haben. Dabei greife ich auch Informationen aus meinen vorherigen Artikeln auf.

 

- Bitte nur die Orchideen kaufen, die im vorhanden Kulturraum auch kultiviert werden können.

- Möglichst nur mit Regenwasser oder Osmosewasser gießen – nur im Einzelfall sind auch Leitungswasser oder Brunnenwasser nutzbar.

- Werden Salzdünger verwendet, sollten alle notwendigen Nährelemente beinhaltet sein.

- Werden organische Dünger verwendet, sollten diese schon durch Mikroorganismen umgesetzt worden sein.

- Zulässige Salzgehalte im Gießwasser und im Substrat beachten!

- Die Pflanzen regelmäßig alle 12 bis 24 Monate umpflanzen!

- Pflanzenschutz: Regelmäßig alle Orchideen untersuchen und rechtzeitig mit den richtigen Mitteln (Pflanzenschutzabteilung im        Blumenmarkt) behandeln!

 

Wichtig ist, dass man seine eigenen Kulturmaßnahmen regelmäßig hinterfragt. Eine gute Gelegenheit dazu ist der Erfahrungsaustausch mit Orchideenfreunden auf Gruppenabenden, bei persönlichen Besuchen oder auf Orchideenausstellungen.

 

 





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