Orchideenkultur – Theorie und Praxis Teil 1
Wer sich intensiv mit dem Wachstum seiner Orchideen beschäftigt, wird erkennen, dass es im Laufe der Jahre ein ständiges Auf und Ab in der Orchideenkultur gibt. So gab es Phasen, in denen meine Orchideen gut gewachsen sind und geblüht haben, dann aber plötzlich und ohne einen erkennbaren Grund kein Wachstum mehr festzustellen war. Woran könnte das gelegen haben?
Ständig werden neue Kultursubstrate oder Dünger angepriesen, von denen auch ich viele ausprobiert habe. Was haben meine Orchideen nicht alles für Substrate durchwurzeln müssen - Meranti, Kokosfasern, Steinwolle, Lavagestein, Perlite! Ich habe meine Orchideen sogar in Hydro- und Semihydro-Kultur auf Blähton gesetzt.
Das erste Jahr im jeweiligen Pflanzstoff sah immer nach einer „Erfolgsstory“ aus, im zweiten Kulturjahr wurde der Pflanzstoff oftmals schon hinterfragt und danach musste die Pflanze dringend umgetopft werden, da Wachstumsstörungen zu erkennen waren. Wenn Orchideen aufgrund von Kulturfehlern Schäden an Wurzeln, Bulben oder Blättern nehmen, wachsen die Neutriebe im nachfolgenden Jahr nicht mehr so kräftig und die Blüte bleibt wahrscheinlich aus. Es folgt dann ein mühseliges Aufpäppeln dieser Pflanzen.
Von der Theorie her sind die Grundlagen für eine erfolgreiche Orchideenkultur bekannt – hapert es nur an der praktischen Umsetzung?
Die Temperatur und das Licht werden vom Wetter bestimmt und müssen im jeweiligen Kulturraum nur berücksichtigt und an die jeweils zu kultivierenden Orchideen angepasst werden.
Vom Naturstandort wissen wir, dass die meisten Orchideen oftmals stundenlangem Regen und Nebel ausgesetzt sind. Abhängig von der Jahreszeit müssen Orchideen aber auch längere Trockenzeiten ohne jeglichen Niederschlag überstehen.
Die Wurzeln der Orchideen und hier insbesondere der Epiphyten haben sich auf diese Lebensweise gut eingestellt. Sie sind von einer Schicht abgestorbener Zellen (Velamen) umgeben. Sind diese Zellen trocken, erscheinen sie mit Ausnahme der aktiven Wurzelspitze silbrig. Sobald es regnet, saugen sie sich wie ein Schwamm voll mit Wasser und werden grün. Jetzt dienen sie der Pflanze vorübergehend als Wasserspeicher, bis die Sonne und die Luftbewegung die Wurzeln wieder austrocknen lässt. Es verdunstet ausnahmslos reines Wasser – zurück bleiben die Restsalze aus dem Regen- bzw. Gießwasser.
Wächst so eine Wurzel in feuchten Humus oder sogar in Wasser hinein, wird die schützende Velamenschicht zurückgebildet und wird anfällig gegen zu hohe Salzkonzentrationen im Substrat.
Sollten vielleicht meine Misserfolge damit zusammenhängen, dass ich bisher die Funktionsweise der Wurzel und deren besondere Anforderungen nicht stark genug berücksichtigt habe?
Die vorherrschende Meinung zur Düngung besagt, dass man Pflanzen mit allen notwendigen Nährelementen versorgen soll. Die Orchidee nimmt sich die Elemente, die für das Wachstum gebraucht werden. Über nicht verbrauchte „Nährsalze“, die ggfs. auch toxisch wirken können, gibt es kaum Informationen.
Über das richtige Verhältnis der Nährstoffe untereinander (z.B. Stickstoff-Phosphor-Kalium) ist ebenfalls recht wenig bekannt. Calcium und Magnesium sind in den wenigsten Düngerlösungen zu finden oder nur in geringen Mengen, obwohl beide Nährstoffe für Pflanzen unbedingt notwendig sind. Auch über die Höhe der maximalen Salzbelastung durch den Dünger wird eher spekuliert als dass gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Vom Naturstandort wissen wir aber, dass die meisten Orchideen in einem eher salzarmen Substrat wachsen.
Werden Orchideen in der Retorte (inVitro) nachgezogen, liegen die Salzgehalte im Nährmedium oftmals um 2000 µS.
Wie ist diese hohe Diskrepanz hinsichtlich des Salzgehaltes in der Orchideenkultur zu bewerten und können wir wirklich alle Orchideen in unseren Kulturräumen nach einem einheitlichen Kulturschema erfolgreich pflegen?
Obwohl im Herbst 2015 die äußeren Kulturbedingungen aufgrund der Witterung in meinem Gewächshaus gut waren, war das Pflanzen- und Wurzelwachstum wieder einmal nicht gut und nur wenige Orchideen wollten blühen. Dafür mussten die Ursachen jetzt gefunden werden. Ein zu hoher Salzgehalt im Substrat? Daraufhin stellte ich mir die Frage, wie man den Salzgehalt im Substrat misst.
Im Internet hatte ich von einer ThruFlow-Methode gelesen: Dazu lässt man 500 ml Regenwasser (35 µS) langsam durch das Substrat laufen, fängt das durchgelaufene Wasser auf und misst den Salzgehalt. Ergebnis = 180 µS
Nach der Messung fiel mir auf, dass ich überlesen hatte, dass man diese Messmethode erst vier Stunden nach dem eigentlichen Gießvorgang anwenden sollte. Am nächsten Wochenende habe ich meine Orchideen mit Regenwasser gegossen und dann 4 Stunden später die eben genannte Methode wiederholt. Ergebnis = 410 µS
Parallel dazu hatte ich eine Orchidee in Rindensubstrat bis zum oberen Rand des Topfes in Regenwasser gestellt:
Mess-Ergebnis nach 1 Stunde = 280 µS
Ergebnis nach 2 Stunden = 390 µS
Ergebnis nach 4 Stunden = 490 µS
Hier stand ich vor einem Rätsel. Wie konnte es sein, dass mir so unterschiedliche Messergebnis angezeigt wurden?
Um das Rätsel zu lösen, habe ich in der Orchideenliteratur nach Lösungen gesucht, wie ein Salzgehalt im Orchideensubstrat gemessen werden kann. Schließlich bin ich in dem Buch von G. Bomba „Orchideen – Herkunft und Pflege“ fündig geworden: Man nimmt zu gleichen Teilen Substrat und Regenwasser, z.B. jeweils 100 ml, gibt alles in einen verschließbaren Behälter und schüttelt das Ganze zwei Stunden. Diese Methode wird übrigens auch in der landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) für Bodenproben angewendet.
Das Ergebnis meiner Messungen war erschreckend: 2100 µS – kein Wunder, dass kaum noch Pflanzen- bzw. Wurzelwachstum zu erkennen war. Offensichtlich haben sich aus den regelmäßigen Düngergaben Restsalze am Rindensubstrat festgesetzt, die mit den zwischenzeitlich reinen Regenwassergaben nicht gelöst bzw. nicht ausgewaschen worden waren. Erst das intensive Schütteln mit der beschriebenen Methode löst die Restsalze und führt zu den hohen Salzgehalt-Ergebnissen.
Rückblickend überlegte ich, welche Dünger in 2015 verwendet worden waren.
Als Grunddünger wurde 0,4 g / l von Scotts Exel CalMag 15-5-15-5-2 und ähnliche Dünger dem Regenwasser zugesetzt (~500 µS).
Der Exel Dünger erzeugt allerdings einen niedrigen pH-Wert. Zum Ausgleich dafür habe ich dem recht sauren Regenwasser ca. 25 % Teichwasser (hoher pH-Wert) zugefügt, um auf einen erträglichen pH-Wert von etwa 6,0 zu kommen.
Eine Laboranalyse von meinem Teichwasser (August 2015) erbrachte nachfolgende Ergebnisse:
NO3 |
P2O5 |
K2O |
CaO |
Mg |
Na |
Cl |
SO4 |
Fe |
µS |
pH |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
< 1,0 |
0,49 |
> 1,2 |
54 |
5,7 |
6,1 |
20 |
7 |
0,060 |
264 |
7,43 |
Als weiteren Dünger hatte ich meine Orchideen regelmäßig mit „Chlorophyllwasser“ gegossen – lassen Sie mich kurz erläutern, was es damit auf sich hat.
Eher zufällig hatte ich im Internet gelesen, dass in einem Kleingarten mit ökologischer Wirtschaftsweise Gemüseabfälle und Wildkräuter in einem Mixer mit Wasser kleingehäckselt werden und dann dieses grüne Wasser mit den Häckselrückständen dem Gartenboden zurück gegeben wurde. Könnte man dieses Vorgehen nicht auch auf die Orchideen übertragen?
Als ich vor vielen Jahrzehnten mit dem Orchideenhobby angefangen hatte und Salzdünger für die Orchideenkultur noch unvorstellbar waren, haben wir uns aus Brennessel, Ackerschachtelhalm, Löwenzahn etc. Pflanzenjauchen hergestellt und damit unsere Orchideen gegossen. Neben dem oftmals bestialischen Gestank, hatten wir auch immer wieder mit Fäulnis zu kämpfen.
Meine Idee war jetzt, frische Kräuter (s.o.) mit dem Mixer zu zerkleinern, zu filtern und mit diesem grünen (Chlorophyll)-Wasser die Orchideen zu düngen. Alle Inhaltsstoffe der verwendeten Pflanze stehen somit den Orchideen unmittelbar zur Verfügung. Der Chlorophyllsaft hat einen Salzgehalt zwischen 1600 und 2000 µS und wurde im Verhältnis 1:10 mit Regenwasser verdünnt.
Ab Frühjahr 2015 habe ich diesen Chlorophyllsaft als Blattdünger verwendet – die Wirkung war kurzfristig sichtbar: nahezu alle Orchideen mit weicheren Blättern bekamen eine dunkelgrüne Farbe und sahen sehr vital aus.
Im darauffolgenden Sommer verwendete ich diesen Chlorophyllsaft zusätzlich zum o.g. Dünger auch über das Substrat. Der Salzgehalt stieg dann auf Werte von 700-800 µS.
Den Chlorophyllsaft, der in der Regel aus Brennesseln und Löwenzahn bestand, habe ich im Labor auf seine Inhaltsstoffe testen lassen:
NH4 / NO3 |
P2O5 |
K2O |
CaO |
Mg |
Na |
Cl |
SO4 |
Fe |
µS |
pH |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
19 + 28
|
100 |
530 |
140 |
26 |
16 |
110 |
> 2 |
0,13 |
1980 |
4,79 |
Erstaunt war ich über den doch recht niedrigen Stickstoffgehalt in der Laboranalyse. Auf Rückfrage teilte mir das Labor mit, dass in derartigen Pflanzensäften erfahrungsgemäß ein hoher Gehalt an Aminosäuren enthalten ist, der allerdings nur sehr kostenintensiv analysiert werden könnte. Diese Aminosäuren können von Pflanzen direkt aufgenommen werden und damit die positive Wirkung bei den Orchideen erzeugen.
Wer die Wirkung von Pflanzenextrakten einmal testen möchte, aber der Herstellungsaufwand zu hoch ist, dem empfehle ich die Verwendung von fertigem Brennesselextrakt oder Schachtelhalmextrakt (z.B. Firma Neudorff, o.ä.).
Aber zurück zur eigentlichen Frage: Wie konnte eine derart hohe Salzbelastung im Pflanzstoff entstehen?
Bei der Ursachenforschung fiel mir ein, dass die Batterie meines Leitwertmessgerätes im Sommer ausgetauscht wurde. Kurz vor dem Austausch zeigt das Gerät abwechselnd keinen Wert oder aber Werte an, die sich nachträglich als fehlerhafte Werte herausgestellt haben. Bezüglich dieser falschen Werten hatte ich dann den Dünger dosiert – offensichtlich weit über das zuträglichen Maß hinaus!?!
Aber das konnte nicht die alleinige Ursache des hohen Salzgehaltes im Substrat sein!
In der Einleitung zu diesem Artikel habe ich die Bedingungen der Orchideen am Naturstandort geschildert. Dort herrscht oftmals stundenlanger und ergiebiger Regen.
In meiner Kultur wurde bisher das „Spülen des Pflanzstoffes“ mit reinem Regenwasser im Sprühverfahren durchgeführt. Offensichtlich reicht diese minimale Wassermenge nicht aus, um Salzreste aus dem Pflanzstoff auszuwaschen. In der Orchideenliteratur wird auch immer wieder von kräftigem Durchspülen des Pflanzstoffes gesprochen.
Bei der Recherche im Internet bin ich dann auf ein Produkt aufmerksam geworden, das damit wirbt, alte Salzrückstände im Substrat wieder pflanzenverfügbar zu machen: FloraKleen (neuer Name = FlashClean).
Dieses Produkt wird in der Pflanzenproduktion hauptsächlich in der Hydro-Kultur angewendet, um „gebrauchten“ Blähton für nachfolgende Kulturen wieder verwendbar zu machen. Aber auch in herkömmlichen Substraten sollen sich bei regelmäßiger Anwendung keine schädlichen Salze im Pflanzstoff ablagern.
Die Inhaltstoffe dieses Produktes sind eine ausgewogene Mischung aus Mineralsalzen und Chelaten. Bei der empfohlenen Dosierung von 1 ml / 1 Liter Gießwasser erhöht sich der Leitwert um 70 µS.
Mit diesen neuen Erkenntnissen gerüstet, wurden im Winter 2015 / Frühjahr 2016 wieder einmal alle Orchideen in frisches Substrat umgetopft. Die verwendete Pinienrinde aus drei unterschiedlichen Quellen habe ich mit der „Schüttelmethode“ getestet: Der Salzgehalt lag bei 320 µS, 480 µS und 650 µS!
Um die hohen Salzwerte zu reduzieren, habe ich die Rinde jeweils ein- oder zweimal für jeweils einen Tag in Regenwasser eingeweicht und erst dann als Pflanzstoff verwendet.
In der folgenden Kulturperiode (Sommer 2016) wurden die Orchideen im Gewächshaus und auf der Fensterbank abwechselnd mit verschiedenen Düngern um die 550 µS und reinem Regenwasser mit Flora Kleen über das Substrat versorgt.
Die Phalaenopsis-Hybriden auf der Fensterbank zeigten schon nach kurzer Zeit ein sehr gutes Blatt- und Wurzelwachstum, das zum Ende des Sommers mit einem überdurchschnittlichen Blütenflor belohnt wurde.
Auch im Gewächshaus hatte ich den Eindruck, dass ein zügiges Wachstum besonders nach der Gabe von Regenwasser mit FloraKleen sichtbar wurde.
Zusätzlich zu den wöchentlichen Gießgaben wurden die Orchideen je nach Wetterlage mit dem oben beschriebenen Chlorophyllwasser als Blattdünger gesprüht. Die meisten Pflanzen sahen und sehen danach sehr vital aus.
Bei genauerem Hinsehen kann man an einigen Orchideenwurzeln feine Wurzelhärchen entdecken (vgl. Abbildungen), was ich in den Vorjahren noch nie gesehen hatte.
Es deutet also wieder einmal alles auf eine „Erfolgsstory“ hin, die nun aber nicht nur am Pflanzenwuchs, sondern auch am Wurzelwachstum sichtbar wurde. Ob dies jedoch von Dauer ist, wird sich erst im Laufe des nächsten Jahres zeigen.
Vorsorglich habe ich den Pflanzstoff im Herbst nochmals auf seinen Salzgehalt hin gemessen und mit der Schüttelmethode den Wert von ca. 700 µS ermittelt. Parallel dazu habe ich den Pflanzstoff auch direkt in Wasser gegeben, umgerührt und dann ebenfalls einen Wert um 700 µS erhalten. Offensichtlich hat das Flora Kleen gewirkt und es sind keine schwer löslichen Restsalze mehr im Pflanzstoff vorhanden.
Damit sich die Restsalze im Pflanzstoff noch mehr reduzieren bzw. nicht mehr ansammeln können, werden meine Orchideen in diesem Winter jedenfalls nur noch mit Regenwasser und gelegentlich mit Regenwasser und Flora Kleen gegossen.
Eine leichte Blattdüngung und Chlorophyllwasser werden diejenigen Orchideen mit Nährstoffen versorgen, die auch oder gerade im Winterhalbjahr wachsen
Fortsetzung folgt