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Theorie und Praxis Teil 2

 

Anknüpfend an das Fazit von Teil 1 des Artikels, dass der Pflanzstoff bei der Verwendung von Salzdünger regelmäßig gespült werden muss, werde ich im Rahmen dieses Beitrags einige neue Erkenntnisse darstellen. Hierbei stellt sich die Frage, wie effektiv eine derartige Spülung mit Regenwasser etc. überhaupt ist.

Um diese Frage zu beantworten, habe ich zwei Orchideen jeweils im 10 cm Tontopf aus meinem Gewächshaus für die nachfolgenden Tests verwendet. Der Salzgehalt des Substrates in dem einen Topf wurde als Ausgangswert mit der im vorherigen Artikel beschriebenen „Schüttelmethode“ mit 580 µS ermittelt.

Jetzt wurde dreimal am Tag im Abstand von ca. drei Stunden jeweils 500 ml Regenwasser (35 µS) langsam durch den zweiten Topf gegossen und unter dem Topf wieder aufgefangen.

Dieser Vorgang wurde an fünf aufeinander folgenden Tagen wiederholt. Das aufgefangene Wasser zeigte folgende Salzgehalte:



In 15 Spülvorgängen wurden „insgesamt“ 2761 µS ausgewaschen. Das Substrat hatte danach einen Salzgehalt von 180 µS. Offensichtlich kann man die jeweils gemessenen Werte des Spülwassers nicht einfach addieren.

Dieses Ergebnis zeigt aber, dass ein gelegentliches Spülen des Substrates einen steigenden Salzgehalt im Substrat nicht verhindern kann.

Bei einem Besuch der Gärtnerei Holm in Bedburg-Hau berichtete der Inhaber Marco Holm, dass ein großer Teil seiner Orchideen wöchentlich jeweils dreimal hintereinander ohne Dünger gesprüht oder gegossen werden und sie erst danach ihre Düngerration bekommen. Dieser erhöhte Aufwand wird betrieben, damit sich im Pflanzstoff angesammelte Salze auflösen und ausgespült werden. Einmaliges Spülen reicht offensichtlich nicht aus – die angereicherten Salze werden zwar gelöst, aber nicht ausgespült.

In meinem letzten Artikel hatte ich das Ziel ausgegeben, mindestens über Winter meine Orchideenkulturen nur mit Regenwasser über das Substrat zu gießen.

In dieser Zeit habe ich mich intensiv mit der Recherche nach Alternativen zu Nährsalzen als Dünger beschäftigt. Schnell bin ich auf organische Düngemittel gestoßen, die tierischen oder pflanzlichen Ursprung haben können.

Allerdings entfalten diese Dünger keine unmittelbare Düngerwirkung und müssen erst im Substrat von Mikroorganismen (MO) umgesetzt werden. Damit ist eine wachstumsgerechte Düngung fast nicht möglich und kann auch negative Folgen wie zum Beispiel Fäulnis im Substrat nach sich ziehen.

Bei der Internetrecherche bin ich dann auf das interessante Thema Komposttee gestoßen.

Vom Begriff her könnte man jetzt meinen, dass Kompost mit heißem Wasser übergossen wird und dann, nachdem es abgekühlt und gefiltert worden ist, über Pflanzen ausgebracht wird.

Durch das heiße Wasser würden allerdings im Kompost vorhandene MO und deren Abfallprodukte, die wichtigen Enzyme und andere wachstumsfördernde Stoffe abgetötet.

Der ökologische Landbau hat aus diesem Grund die sogenannte Eimermethode entwickelt, um die aus ihrer Sicht so notwendigen MO für sich im Ackerboden arbeiten zu lassen:

Ca. 500 ml Kompost werden in einen ausreichend großen Eimer mit Regenwasser gegeben und mittels einer Aquariumpumpe wird Luft in dieses Gemisch geleitet. Zusätzlich wird das Gemisch mehrfach umgerührt. Durch die Zugabe von Luft wird ein Extraktionsvorgang beschleunigt und das Ganze kann nicht in Fäulnis übergehen.

Als Ausgangsmaterial sollte nur fertig umgesetzter Kompost (Reifekompost) verwendet werden. Da es jedoch mitten im Winter war, konnte ich nirgends diesen Kompost auftreiben.

Das Internet bietet aber auch dafür eine Lösung: Regenwurmhumus

Regenwürmer spielen eine herausragende Rolle bei der Humusbildung im Boden und leisten dadurch einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Fruchtbarkeit des Bodens. Sie fressen abgestorbenes organisches Material von pflanzlichen Rückständen und tierischen Abfallstoffen. Während der Verdauungstätigkeit werden organische und mineralische Bestandteile gemischt, konzentriert und als nährstoffhaltiger Kot ausgeschieden.

 

Nährstoffe aus dem Wurmhumus sind sofort pflanzenverfügbar und bringen pflanzenförderliche Bestandteile sowie wertvolle MO in ihrer natürlichen Zusammensetzung und Vielfalt. Wurmhumus aktiviert zudem die Bodenbiologie, regt das Wachstum an und wirkt vorbeugend gegen verschiedenste boden- und blattbürtige Pflanzenkrankheiten. An dieser Stelle würde es zu weit führen, die weitergehenden Vorteile einer Behandlung von Pflanzen mit Wurmhumusextrakt hier aufzulisten. Wer Interesse an diesem Thema hat, den kann ich nur auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Homepage www.sansolum.de verweisen - den Werbecharakter für das angebotene Produkt kann jeder für sich bewerten.

Die Vorteile von Wurmhumusextrakt haben mich überzeugt und waren es Wert, einmal ausprobiert zu werden.

Wurmhumus war schnell beschafft und es wurden zunächst 500 ml Wurmhumus auf 15 Liter Regenwasser mit Luft behandelt. Dieser Extrakt wurde dann gefiltert, in den Gießbehälter gegossen und auf 100 Liter mit Regenwasser aufgefüllt. Der „Salzgehalt“ dieser Düngelösung beträgt um die 130 µS und die Orchideen wurden mit einer Brause in den folgenden zehn Monaten über das Substrat gegossen. Eine durchschnittliche Nährstoffanalyse von meinem Wurmhumuslieferanten ergeben bei der hier genannten Dosierung folgende Werte:

130 mg Stickstoff, 20 mg Phosphor, 21 mg Kalium, 12 mg Magnesium sowie nicht unerhebliche Mengen an Spurenelementen.

 

Zusätzlich wurden die Pflanzen mit einer Blattdüngung, bestehend aus einem Salzdünger und dem schon im vorigen Artikel beschrieben Chlorophyllsaft, besprüht. Der Salzgehalt dieser Blattdüngung betrug maximal 600 µS (im Winterhalbjahr eher die Hälfte).

Das Wachstum der Orchideen und deren Wurzeln waren in dieser Zeit auffallend gut und auch der Blütenertrag fiel gut aus. Ein großer Teil meiner Paphiopedilen zeigten allerdings kein zufriedenstellendes Wachstum. Die hohe Salzkonzentration der vorhergehenden Jahre hatte die Bewurzelung dieser Pflanzen stark in Mitleidenschaft gezogen. Nur zögerlich erholen sich die meisten dieser Pflanzen davon.

Wegen der nicht optimalen Bewurzelung der Paphiopedilen habe ich mir dann auch ein paar Gedanken zur Kalkversorgung von Orchideen gemacht. Es ist bekannt, dass bei der Verwendung von Rindensubstraten dem Pflanzstoff pro Liter eine Grundkalkung von mindestens fünf Gramm kohlensaurem Kalk zugegeben wird. Dadurch wird den Orchideen das für das Wachstum notwendige Calcium gegeben und gleichzeitig wird das stets saure Rindensubstrat ein wenig in Richtung neutralen pH-Wert gepuffert. Im Laufe des Kulturzeitraumes senkt sich zudem der pH-Wert des Rindensubstrates in den sauren Bereich, eine Erhaltungskalkung wäre daher hilfreich, um eine voranschreitende Versauerung des Substrates wenigstens teilweise zu stoppen.

Aus diesem Grund gebe ich auf 100 Liter Regenwasser 15-25 Gramm kohlensauren Kalk, Bentonite u.ä., stelle den pH-Wert auf ca. 6,0 ein und gieße mit diesem Wasser dann meine Orchideen alle zwei bis vier Wochen .

Alternativ kann man für diesen Zweck auch sein Regenwasser mit 10 – 15 % Leitungswasser „verschneiden“. Leitungswasser enthält in den meisten Fällen einen ausreichend hohen Anteil an Calcium und hat einen pH-Wert im neutralen Bereich.

 

 

Ein weiteres wichtiges Thema in der Orchideenkultur war und ist der richtige Umgang mit Schädlingen und Krankheiten von Orchideen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat vor einigen Jahren eine Neubewertung der Zulassung von Pflanzenschutzmittel insbesondere auch im Kleingartenbereich oder in der privaten Pflanzenzucht durchgeführt.

Bekannte und wirksame Mittel sind mittlerweile für die Orchideenkultur nicht mehr erhältlich und wir müssen uns nach Alternativen umsehen.

Im Bio-Gartenbau wird gerade ein neues Produkt quasi als Wundermittel angepriesen: Neemöl, auch als Niemöl bezeichnet. Das rein ökologische Mittel, das aus den Samen des indischen Neembaums gewonnen wird, wirkt gegen unterschiedlichste Schädlinge wie Käfer, Raupen, Läuse oder Spinnmilben sowie gegen Schnecken und Pilzbefall. Spritzt man das Neemöl direkt auf die Blätter, hilft es gegen akuten Schädlingsbefall. Gibt man es ins Gießwasser, stärkt es die Pflanze über die Wurzeln von innen heraus. Der große Vorteil von Neem ist, dass sich keine Resistenzen bei den unterschiedlichen Schädlingen bilden. Nützlinge wie Marienkäfer und Bienen werden durch Neem nicht gefährdet.

Verantwortlich dafür ist der in Neem enthaltene Wirkstoff Azadirachtin, der die Schädlinge nicht sofort abtötet. Er sorgt aber für Appetitlosigkeit und die Vermehrungsfreudigkeit wird stark herabgesetzt. Dieser Wirkstoff wird nach drei Wochen in der Pflanze abgebaut. Neemprodukte sind deshalb vorsorglich im Abstand von zwei bis vier Wochen einzusetzen!

Ich habe über mehrere Monate ausschließlich Neemöl in der vorgeschriebenen Dosierung über meine Orchideen gesprüht. Schädlinge konnte ich in dieser Zeit kaum feststellen. Allerdings sind einige Blütentriebe bei Paphiopedilen, die aus der Basis der neuen Blätter hervorkommen, steckengeblieben. Bekannt ist, dass Öle die Spaltöffnungen von Pflanzen verkleben können.Bei meinen Orchideen sind wohl auch die Blütentriebe geschädigt worden .

Weil ich dennoch insgesamt sehr zufrieden mit den Ergebnissen war, wollte ich selber weiter mit Neem experimentieren und bin dabei auf Neempresskuchen gestoßen.

Der Neempresskuchen ist ein „Abfallprodukt“ (Pressrückstände) bei der Herstellung von Neemöl und erhält noch ausreichende Mengen des Wirkstoffes Azadirachtin. Aus diesem Grund wird er auch im ökologischen Landbau gegen verschieden Schädlinge angewendet.

Für die Herstellung eines Pflanzenschutzmittels gebe ich 150 g Neempresskuchen in zehn Liter Regenwasser und behandele es (wie oben beschrieben) mit Luft. Diesen Extrakt filtere ich nach ein bis zwei Tagen durch ein engmaschiges Sieb oder durch einen Aquariumkescher, verdünne den Extrakt nochmals mit Regenwasser im Verhältnis 1:1 und sprühe damit umgehend die Orchideen.

Ein Schädlingsbefall ist in den letzten Monaten durch die Verwendung dieses Neemextraktes kaum feststellbar – allerdings sprühe ich meine Orchideen vorsorglich alle zwei bis drei Wochen mit diesem Extrakt über die Blätter. Ganz nebenbei hat der Extrakt aus Neempresskuchen auch noch eine düngende Wirkung.

 

Die Ergebnisse meiner Versuche werde ich in den kommenden Monaten weiter beobachten und dann in einem Teil 3 hier veröffentlichen.

 

Zum Thema Neem ist mittlerweile ein extra Artikel erschienen:

https://www.paphs.de/de/kultur/neemoel-gegen-schaedlinge